Übersicht
Thema | Fotografie |
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Datum | |
Ort |
Augustiner Bürgerheim U4/U5 Schwanthalerhöhe oder Heimeranplatz |
Thema | Fotografie |
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Augustiner Bürgerheim U4/U5 Schwanthalerhöhe oder Heimeranplatz |
Wir fotografieren ständig. Ob mit Spiegelreflexkamera, Taschenknipse, Smartphone oder Tablet: Was wir gerade erleben, was wir tun, wie wir aussehen, halten wir fest. Und wir teilen unsere Fotos in sozialen Medien mit Bekannten und Unbekannten. Sie sind fester Bestandteil unseres Selbstbildes und unserer Selbstdarstellung geworden.
Auch sind wir andauernd umgeben von Fotografien jeglicher Art, in der Werbung, in der Zeitung und in Büchern. Es sind scheinbar realitätsgetreue Abbildungen von Landschaften, Menschen, technischen Gebilden, von weit entfernten Galaxien und von winzigen Bakterien. Sogar Atomkerne können inzwischen – angeblich – fotografiert werden.
Doch wie real sind diese Bilder, die uns als perfekte Kopien der Welt verkauft werden? Die Technik, die hinter solchen Fotos steht, ist natürlich nicht mehr dieselbe, wie in den Anfangszeiten. Damals waren es einzigartige Erlebnisse, wenn ein Fotograf mit seinem großen schwarzen Kasten, befestigt auf einem Stativ und mit einem Tuch verdeckt, das Familienidyll für die Ewigkeit festhielt. Minutenlang musste man zusammen stillhalten, um ein perfektes Bild zu erhalten und, nun ja, eben doch nicht die Realität. Heute können wir zwar in unter einer Sekunde auslösen, doch vom erzwungenen Lächeln über den gewählten Bildausschnitt bis zur Belichtung ist schon an Alltagsfotos nichts real. Profis und Hobbyfotografen haben zahlreiche weitere technische Möglichkeiten bis hin zur vollständigen Retusche. Ultrahohe Auflösungen und die Verwendung von anderen Techniken wie Rasterelektronenmikroskopen ermöglichen es schließlich, auf Fotos Dinge sichtbar zu machen, die dem bloßen Auge nicht zugänglich sind.
Angesichts der Flut von Bildern, die uns täglich begegnen, scheinen wir aber beinahe abhängig von der Abbildung zu sein. Wir können unseren Lieben Erlebnisse vermitteln, die man nicht in Worte fassen kann, und schreckliche Ereignisse an die Öffentlichkeit bringen, die sonst keiner gesehen hätte. Fotos helfen uns, Momente im Detail zu betrachten, denn sie sind schnell gemacht und bleiben dauerhaft. Ist das, was wir auf Fotos sehen, die Wirklichkeit, eine verbesserte Kopie oder gar eine Fälschung, eine konstruierte Realität? Kann man etwas abbilden, was man eigentlich nicht sehen kann? Wie weit darf man bei der Bildbearbeitung gehen? Welche Rolle spielen Fotografien für die Gesellschaft, für Wissenschaft, Journalismus und Popkultur? Wie verändern sie unser Bild von der Welt und von uns selbst? Diese Fragen sind wir beim Science Café zum Thema Fotografie nachgegangen.
Unsere Referenten waren:
Hans Michael Koetzle leitete den Abend mit einem Überblick über die historische Entwicklung der Fotografie ein. Dabei betrachtete er sowohl technologische Aspekte, als auch die damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen im Umgang mit dem Foto. Als wichtigste technologische Meilensteine stellte er den Übergang von der Unikat-Fotografie und der damit verbundenen Nassplattenfotografie (bei welcher der Fotograf an Ort und Stelle die Platten vorbereiten und entwickeln musste), zur Negativ-Fotografie und in einem weiteren Schritt die Industrialisierung mit der Einführung der ersten Rollfilmkamera im Jahre 1888 dar. Entsprechend der zunehmenden Vereinfachung der Bedienung wandelten sich auch die Motive und die Wertschätzung gegenüber den Fotografen, so dass neben dem reinen Abbild der Realität, die Fotografie auch zunehmend als Kunstform aufgefasst wurde. In einem von Herrn Koetzle herausgegebenen Buch konnten die Gäste anschließend anhand ikonischer Aufnahmen die künstlerische Entwicklung der Fotografie nachvollziehen, wobei der Autor zu jedem Foto eine interessante und oft auch humorvolle Anekdote beisteuern konnte.
Dominik Parzinger erörterte im zweiten Vortrag, inwiefern der Fotograf und das zu fotografierende Motiv Einfluss auf die endgültige Aufnahme haben können. Besondere Beachtung legte er hierbei auf den Aspekt des Übergangs von der Bildidee zur endgültigen Aufnahme – wie soll und kann also eine Vorstellung in gestaltungstechnische Vorgaben übersetzt werden. Er erklärte, dass sich sowohl der Fotograf, als auch das Motiv zwischen jeweils zwei Polen und somit zugleich zwischen realem Abbild und künstlicher Verzerrung bewegen können. Entsprechend sieht er auch das Bildkonzept als wesentlichen Teil der fotografischen Arbeit an, wohingegen das eigentliche »Knipsen« nur noch die Zusammenführung der vorausgegangenen Schritte und Überlegungen ist. In der Diskussionsrunde stellte er zudem seine momentanen Arbeiten an einer fotografischen Übersetzungsmethode vor, welche dabei helfen soll die künstlerischen Wünsche an ein Bild mit dem endgültigen Ergebnis aus dem Fotoapparat möglichst gut in Übereinstimmung zu bringen.
Dass sich auch bei der medizinischen Bildgebung von verschiedenen Realitäten sprechen lässt, zeigte anschließend Prof. Axel Haase. Rotes Licht lässt einen Daumen von innen leuchten, während blaues Licht nur auf der Oberfläche sichtbar wird – anhand dieser einfachen Vorführung mit zwei Laserpointern veranschaulichte er die unterschiedlichen Eigenschaften von Lichtwellen und wie diese im medizinischen Bereich eingesetzt werden. Durch die richtige Wahl verschiedener Lichtquellen und -Intensitäten lassen sich so zum Beispiel einmal Knochen und einmal Gewebe betrachten und entsprechend dieser Möglichkeiten muss der Mediziner schon vor der Belichtung wissen was er anschließend sehen will, da er immer nur einen Teilaspekt aus dem menschlichen Innern abbilden kann. Im Unterschied zur klassischen Lichtfotografie kann der Arzt dazu auch noch auf für das menschliche Auge unsichtbare Lichtarten zurückgreifen, was damit auch den Hauptunterschied der medizinischen Bildgebung ausmacht. Entgegen der klassischen Röntgentechnik mit den Fotoplatten, ist heute immer eine digitale Verarbeitung zwischen Lichtsender und dem sichtbaren Abbild am Werk, welche durch die gewonnen Daten ein Bild rekonstruiert, so dass im medizinischen Bereich auch oftmals eine Vielzahl von Einzelbildern zu einem dreidimensionalen Bild verarbeitet wird. Zudem lassen sich heute Vorgänge in einzelnen Organen durch schnelle aufeinanderfolgende Aufnahmen quasi in Echtzeit betrachten.
Jean-Marc Turmes erörterte zum Abschluss vor allem die Bedeutung von Bildern im digitalen Zeitalter und wie die Allgegenwärtigkeit von Fotografien die Arbeit professioneller Fotografen verändert. Er zeigte sich kritisch im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Fotografie als Kunstform, da es diese schwer hat in der digitalen Bilderflut auf sich aufmerksam zu machen. Gleichzeitig ermöglicht der einfache Umgang mit Bildern heutzutage, sowohl die Erstellung als auch die Verteilung betreffend, neue Arten der Kommunikation, so dass das Foto heute noch viel stärker als zu früheren Zeiten als Sprachform genutzt wird. Das Foto scheint heute beinahe schon einen gewöhnlichen Bestandteil des kulturellen Austauschs darzustellen; ob und inwieweit die Fotografie auch in Zukunft noch als eigenständiges Sprachrohr genutzt wird bleibt daher abzuwarten.