Zukunft der Lebensmittel
am 28. Oktober
Auf Augenhöhe — Das Science Café in München
© Hans Hillewaert [CC-BY-SA-3.0]
via Wikimedia Commons

Übersicht

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Thema Zukunft der Lebensmittel
Datum
Ort


Bergmannstraße 33
80339 München

U4/U5 Schwanthalerhöhe oder Heimeranplatz

Veranstaltung

Die Referent.innen waren:

Bericht von Lisa Krammel

Am 28. Oktober fand, eine Woche später als ursprünglich geplant, unser zweites Science Café statt. Ein Fußballspiel hatte uns einen Strich durch die Planung gemacht. Trotzdem haben uns die Referent.innen nicht im Stich gelassen. Vielen Dank noch einmal an dieser Stelle. Als Referent.innen waren geladen: die Leiterin der Landfrauenabteilung in München Dr. Andrea Fuß, der Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Karl von Koerber, der Lebensmitteltechnologe Dr. Florian Wild und der Landwirt Gustl Spoetzl.

Wir haben uns wieder im Augustiner Bürgerheim in der Schwanthaler Höhe getroffen, das uns viel Platz zur Verfügung stellte. Zu unserer Freude als Veranstalter kamen viele unbekannte Menschen, die vor allem über Mundpropaganda und das Internet ihren Weg zu uns gefunden hatten. Die Tische waren gut besetzt, aber keiner musste stehen, als unser Moderator Paul Zasche die Veranstaltung eröffnete und das Publikum Willkommen hieß. Die Technik hinkte wie immer, aber Paul kann auch ohne Mikrophon.

Als Herr von Koerber als erster Referent die Gelegenheit bekam, seine Thesen vorzustellen, ging das Mikrophon dann wieder. Den meisten Gästen ist sicher der Begriff der »Enkeltauglichkeit« in Erinnerung geblieben. Das ist so etwas wie Nachhaltigkeit, nur beschreibt das Wort deutlicher, was damit gemeint ist. In seiner kurzen Einführung ging es Herrn von Koerber genau um diese Enkeltauglichkeit. Also darum, dass wir auch in Zukunft versuchen müssen, nur so viele Ressourcen zu verbrauchen und die Erde so anständig zu behandeln, dass sie unsere Enkel auch noch gesund und vollwertig ernähren kann. Dafür hat er sieben Grundsätze vorgestellt und seine Redezeit etwas überzogen. Die verantwortungsvolle Ernährung ist anscheinend noch immer ein heißes Thema und hat später am Stammtisch für intensive Diskussionen gesorgt. Welche Lebensmittel sind wirklich nachhaltig? Welche Alternativen gibt es zur Fertiglasagne? Herr von Koerber empfahl hier den Grundsatz seines ehemaligen Professors: nur Lebensmittel zu konsumieren, die weniger als fünf Inhaltsstoffe haben und für die nicht geworben wird. Damit sei man fürs Erste gut beraten.

Ein weiterer Referent war der Lebensmitteltechnologe Dr. Florian Wild. Er beschäftigt sich mit Fleischersatzprodukten und der Frage, was Konsument.innen überhaupt wollen. Um uns die unterschiedlichen Gründe aufzuzeigen, warum sich Konsument.innen für verschiedene Produkte entscheiden und welchen Konsumentenkategorien er sie daraufhin zuordnet, hatte er uns Anschauungsmaterial mitgebracht. Da war ein Apfel, der sollte für Gesundheit stehen, denn die Konsumenten wählen oft Produkte, weil sie angeblich gesund sind. Dann gibt es faire Produkte und biologische Produkte. Hedonist.innen kaufen gerne mal ein teures Stück Steak und dazu eine Flasche Champagner. Andere wollen ein Produkt, das schnell zuzubereiten ist oder besonders billig. Unterschiedliche Beweggründe können dabei nebeneinander stehen und mal mehr oder weniger wiegen. Für den Sonntagsbraten geben Kund.innen gerne mal etwas mehr aus und kochen dann zusammen mit der Familie.

Auch den Sonntagsbraten könnte man aus alternativen Rohstoffen herstellen. Alle Fleischgerichte, die nicht roh oder halb gar sind, ließen sich auch durch pflanzliche Proteine herstellen, verkündete Herr Wild. Er hatte eine zähe, fasrige Masse dabei, die Interessierte später am Stammtisch anfassen durften, das ist der Ausgangsstoff für sämtliche seiner Fleischersatzprodukte. Diese Produkte sollen vor allem Fleischesser ansprechen, die gerne weniger Fleisch essen würden, aber nicht vollständig auf die Konsistenz bzw. den Geschmack von Fleisch verzichten wollen. Sein Ziel ist es, Ersatzprodukte herzustellen, die von echten Fleischprodukten kaum unterscheidbar sind. Seine Ersatzprodukte sind beim Nährwert vergleichbar, haben aber eine um einiges geringere CO2-Emission und werden aus den Proteinen hergestellt, die bei der Produktion von Biokraftstoffen als Abfallprodukt entstehen. In der Zukunft sieht er auf jeden Fall einen wachsenden Markt an Fleischersatzprodukten.

Die Vorsitzende der Landfrauen Frau Dr. Fuß, ging sofort direkt auf die Zukunft der Lebensmittel ein und präsentierte acht Thesen, die die zukünftige Entwicklung auf dem Lebensmittelmarkt beeinflussen werden: 1. wird der Anteil an Fertigprodukten zunehmen, sowie auch 2. das Essen außer Haus. Das bedeutet, die Zukunft der Lebensmittel wird hauptsächlich außer Haus entschieden. Nicht, was wir für uns daheim einkaufen, sondern welche Kantinen und Restaurants wir besuchen, ist entscheidend dafür, was produziert wird. 3. werden wahrscheinlich die Verpackungsgrößen kleiner, 1/3 aller Haushalte sind mittlerweile Single-Haushalte. 4. schwinden die Alltagskompetenzen der Verbraucher.innen. Kaum einer im Publikum erkannte die Steckrübe, die sie als Anschauungsobjekt mitgebracht hatte. Das Wissen über die Zubereitung bestimmter regionaler Lebensmittel wird auch in Zukunft weiter schwinden. 5. gibt es immer mehr Hobbyköche, die auf Qualität achten. 6. steigt der Bedarf an regionalen Lebensmitteln, die meist direkt vom Landwirt bezogen werden. 7. wächst der Markt für Fleischersatzprodukte, mittlerweile sind anscheinend 8% der Bevölkerung Vegetarier.innen und 1% Veganer.innen, Tendenz steigend. 8. muss der Preis stimmen, dieser ist laut Umfragen für 81% der Käufer wichtig, das heißt auch in Zukunft werden wohl preiswerte Lebensmittel mehrheitlich bevorzugt.

Zu guter Letzt bekam der Landwirt Herr Spoetzl das Wort und erfreute die Gäste durch seinen angenehmen bayerischen Dialekt, der die Wirtshausatmosphäre vollkommen machte. Er war mit Abstand der Jüngste unter den Referent.innen, aber gar nicht schüchtern. Er kommt von einem mittelgroßen Milchviehbetrieb aus dem Umland von München. Dort werden täglich ca. 1600l Milch produziert. Die Landwirtschaft ist nicht mehr wie vor 100 Jahren, heute ernährt ein Landwirt bis zu 133 Menschen, 1850 waren das gerade mal sieben. Und in Zukunft wird sich die Landwirtschaft weiter stark verändern, den Betrieb einfach vom Papa zu übernehmen, reicht schon lange nicht mehr. Landwirt.in zu sein erfordert sehr viel technisches Wissen, sowie Wissen über Böden und Dünger und auch Betriebwirtschaft gehört zu den wichtigen Fächern bei der Ausbildung und dem Studium dazu. Die äußeren Bedingungen erschweren Landwirt.innen die Arbeit noch: Herr Spoetzl berichtete von rapiden Flächenverlusten. Der Bau von Straßen, Industriegebieten und Wohnflächen frisst immer mehr Ackerland. Immer mehr Fläche wird versiegelt. Das sind pro Tag ca. 20 ha. An zwei Tagen wäre damit sein Hof verschwunden. Wenn es so weiter gehe, müssten wir in Zukunft Lebensmittel aus anderen Ländern importieren. Aber noch sei es nicht so weit.

Ein wichtiges Thema am Stammtisch ist natürlich die Gentechnik. Herr Spoetzl spricht sich dagegen aus, gar nicht so sehr wegen der Technologie, sondern vor allem weil die Saatgutfirmen zu viel Macht bekommen. Die Gäste am Tisch wollen viel wissen und Herr Spoetzl, der wahrscheinlich selbst der Jüngste am Tisch ist, antwortet engagiert und lacht viel, auch wenn er über Dinge spricht, die für andere vielleicht beängstigend sind. Er ist zuversichtlich und hat Freude an der Arbeit und das nimmt man ihm auch ab. Er rät davon ab, Bioprodukte aus Übersee zu kaufen, echte Biolebensmittel wird es auch in Zukunft nur regional geben. Aber Bio sei nur Wenigen vorbehalten, ohne konventionelle Landwirtschaft werde es auch in Zukunft nicht gehen.

Zwar kam bei den Diskussionen die Zukunft manchmal etwas zu kurz, aber die Gäste und Referent.innen haben viel diskutiert und sich ausgetauscht und der ein oder andere hat sicher ein paar neue Ideen mit nach Hause gebracht, wie er seine eigene Zukunft der Lebensmittel gestalten kann.

Links & Literatur